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Behauptung

(Ein Vorschlag zur Terminologie)

Inhaltsverzeichnis

Definition
Abgrenzung von anderen Arten sprachlicher �u�erung
Arten von Behauptungen
Behaupten und Begr�nden


Definition

Eine "Behauptung", auch 'assertorisches Urteil' genannt, ist ein Satz,  der vom Sprecher mit dem Anspruch auf allgemeine und dauerhafte Zustimmung ge�u�ert wird. Eine Behauptung kann bejaht oder verneint werden. Auf Behauptungen sind deshalb die Regeln der Logik anwendbar. Man kann sie beweisen oder widerlegen, begr�nden oder bezweifeln.

Ein Beispiel: Wenn Person A die Frage stellt: "Ist die Stadt Trier �lter als die Stadt Berlin?" und Person B antwortet: "Ja, Trier ist �lter als Berlin", so handelt es sich dabei dann um eine "Behauptung", wenn B mit dieser Antwort zugleich den Anspruch verbindet, dass jedermann diesen Satz "Trier ist �lter als Berlin" dem eigenen Denken und Handeln dauerhaft zugrunde legt.

Eine Behauptung ist also nicht nur wie eine Aussage ein Satz mit bestimmtem Inhalt, sondern zugleich eine soziale Handlung: Jemand beansprucht allgemeine Geltung für einen Satz. John R. Searle pr�gte für sprachliche �u�erungen, die zugleich eine soziale Handlung darstellen, den Begriff des "Sprechaktes" (engl. 'speech act').


Abgrenzung von anderen Arten sprachlicher �u�erung

Keine Behauptungen sind u. a. die folgenden Arten von Sätzen:

 - fiktive oder nicht ernst gemeinte S�tze z. B. in der Literatur, in Sprach�bungen oder Scherzen ("Es war einmal eine Prinzessin.")
 - Fragen ("Wo ist Fred?")
 - Zweifel ("Ich bezweifle, dass sie noch kommen wird.")
 - theoretische Annahmen ("Angenommen, jeder Unternehmer strebt einen maximalen Gewinn an.")
 - Befehle ("H�nde hoch!")
 - Begriffsbestimmungen oder Nominaldefinitionen ("Die feste Verbindung mehrerer Atome soll als 'Molek�l' bezeichnet werden.")
 - Geschmacks�u�erungen ("Mir gef�llt diese Musik.")

Es macht keinen Sinn, hier nach Wahrheit zu fragen. Derartige S�tze werden nach anderen Gesichtspunkten bewertet wie z. B. Zweckm��igkeit, Unterhaltungswert oder k�nstlerischem Gehalt.


Arten von Behauptungen

Behauptungen lassen sich nach ihrem Inhalt unterteilen z. B. in:

 - Behauptungen darüber, wie die Welt beschaffen ist, sogenannte empirische, faktische oder positive Behauptungen ("Dieser Baum ist �lter als 10 Jahre", "Blei ist schwerer als Eisen"). Behauptungen dieser Art sind Gegenstand der Erfahrungswissenschaften, insbesondere der empirisch arbeitenden Naturwissenschaften.

 - logische Behauptungen ("Wenn alle Objekte der Art x die Eigenschaft b haben, und wenn C ein x ist, dann hat auch C die Eigenschaft b.")

 - mathematische Behauptungen ("Die Quadratwurzel aus 144 ist 12.")

 - wertende Behauptungen ("Ines spielt besser Klavier als Thomas.")

 - normative, insbesondere moralische Behauptungen ("Man soll denen helfen, die unverschuldet in Not geraten sind.")

 - Sinn deutende oder hermeneutische Behauptungen ("Das Zeigen einer wei�en Flagge bedeutet: 'Wir ergeben uns'"). Derartige Behauptungen sind Gegenstand der Sprach- und Kulturwissenschaften.

 - innerpsychische oder introspektive Behauptungen ("Ich habe Zahnschmerzen", "Honig schmeckt s��", "Ich sehe, dass das Thermometer 10 Grad Celsius anzeigt").

Diese Hauptgruppen lassen sich weiter unterteilen. So lassen sich die faktischen Behauptungen unterteilen in

 - Behauptungen über singul�re Ereignisse in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft ("Goethe starb 1832"). Derartige Behauptungen sind Gegenstand der historischen Wissenschaften.

 - Behauptungen über die Existenz bestimmter Arten von Objekten ("Es gibt in diesem Wald Steinpilze")

 - Behauptungen über empirische Regelm��igkeiten oder Gesetzm��igkeiten ("Wenn man eine Kristallvase auf einen Steinfu�boden fallen lässt, zerspringt sie").
 
 - Behauptungen über Ursachen: ("Der Hund ist gestorben, weil er Krebs hatte") u.a.m.


Behaupten und Begr�nden

Behauptungen beanspruchen Wahrheit und damit zugleich allgemeine und dauerhafte Geltung. Das bedeutet, dass jeder aufgefordert ist, eine ge�u�erte Behauptung seinem Denken und Handeln dauerhaft zugrunde zu legen.

Es kann also nicht für den einen die Behauptung p g�ltig sein ("London hatte im Jahr 2000 mehr Einwohner als Paris") und für einen anderen die Behauptung 'non-p' ("London hatte im Jahr 2000 nicht mehr Einwohner als Paris").

In entsprechender Weise kann nicht heute p g�ltig sein und morgen non-p. Wer heute p behauptet, der kann morgen nicht 'non-p' behaupten, es sei denn, er gesteht zu, dass er sich geirrt hatte.

Behauptungen kann man bekr�ftigen bzw. bejahen ("Er hat recht", "Das stimmt", "Das ist richtig", "So ist es") oder auch bestreiten bzw. verneinen.

Wenn der Anspruch auf Geltung mehr sein soll als die Aufforderung, dem Sprecher zu glauben und zu folgen, muss der allgemeine Geltungsanspruch für die Behauptung auch mit allgemein einsichtigen, intersubjektiv nachvollziehbaren Argumenten begr�ndet werden können.

Welche Argumente geeignet sind, den allgemeinen Geltungsanspruch einer Behauptung einzul�sen, ist je nach Art der Behauptung unterschiedlich.

Die Erarbeitung von Kriterien und Methoden zur überpr�fung von Behauptungen allgemein und von Behauptungen bestimmter Art ist ein zentraler Gegenstand der Erkenntnistheorie bzw. Wissenschaftstheorie (auch als "Methodologie" bezeichnet).

W�hrend die an der positivistischen Tradition orientierte Erkenntnistheorie, wie sie z. B. von Hans Albert vertreten wird, Allgemeing�ltigkeit nur empirischen und logischen Behauptungen zuerkennt (im Sinne empirischer und logischer Wahrheit), betrachten konsenstheoretisch orientierte Philosophen wie J�rgen Habermas auch moralische Normen als Behauptungen, denen auf Grund von Argumenten eine allgemeine G�ltigkeit zugesprochen oder abgesprochen werden kann.

Hier gehen die Meinungen noch erheblich auseinander. Auch die Terminologien der verschiedenen philosophischen Richtungen sind keineswegs einheitlich.

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Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Behauptung" / Letzte Bearbeitung 06.05.2011 / Eberhard Wesche

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