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Der Mensch

 

Inhalt:

Der Mensch
Die Ursachen für die Sonderentwicklung des Menschen
Das menschliche Nervensystem
Das menschliche Gehirn
Gründe für die begrenzte Lebensdauer der Individuen
Der Grund für die Zweigeschlechtlichkeit 
Begrenzte Formbarkeit entgegen der genetischen Veranlagung
Die besondere Lernfähigkeit des Menschen
Problematische Erbeigenschaften des Menschen (Atavismen)
Die Auswirkungen von Wissenschaft und Technik



Textbeginn:

Der Mensch

Die Ursachen für die Sonderentwicklung des Menschen

Die Gattung Mensch (homo sapiens) hat sich nach unserm heutigen Wissensstand im Zuge der Evolution des organischen Lebens vor mehr als 3 Millionen Jahren aus den Menschenaffen (Primaten) entwickelt. Dabei spricht man dann von einer neuen "Art" oder "Gattung", wenn die in einer bestimmten Weise veränderten Individuen sich nicht mehr mit den unveränderten Individuen der Herkunftsart sexuell fortpflanzen.
Trotz seiner relativ geringen Ausstattung mit angeborenen Instinkten und Fähigkeiten hat sich der Mensch gegenüber allen Tierarten als überlegen erwiesen. Zu dieser Sonderentwicklung des homo sapiens haben die folgenden Umstände beigetragen:
 
1.) Bei den lebend gebärenden Wirbeltieren, den Säugetieren, gibt es eine länger andauernde Aufzucht der Nachkommen als bei den Eier legenden Wirbeltieren. Dies gilt in besonderer Weise für den Menschen, dessen Nachkommen nur mit ca. 25% der ausgewachsenen Gehirnkapazität zur Welt kommen. Menschen erreichen erst mit ca. 18 Lebensjahren ihre volle Körpergröße.

In dieser Zeit können die Erwachsenen ihren Nachkommen überlebenswichtige Fähigkeiten beibringen, Kenntnisse über die Umwelt vermitteln und ihnen nützliche Gewohnheiten und Verhaltensregeln einprägen.

Die Nachkommen haben in dieser Zeit die Möglichkeit, durch Beobachtung, Nachahmung und Spiel ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Diese durch Erziehung übermittelten oder selbständig erworbenen Lebenserfahrungen sind nicht so starr wie genetisch verankerte Instinkte. Sie können angesichts veränderter Lebensbedingungen durch Lernvorgänge korrigiert und verändert werden.

2.) Die erlernten Verhaltensweisen und Informationen kann der Mensch in seinem besonders leistungsfähigen Großhirn speichern, das im Verlauf der Evolution der Menschengattung immer größer wurde.

3.) Da die Menschen - so wie die andern Primaten - in Großgruppen lebten, konnten sie leistungsfähige Mittel der Verständigung untereinander ausbilden. Neben den visuellen Verständigungsformen wie Gebärdensprache, Blickkontakt und Gesichtsausdruck sind das vor allem die durch die Stimmbänder und eine sehr bewegliche Zunge gebildeten unterschiedlichen sprachlichen Laute. Damit ist auch ohne Sichtkontakt eine Verständigung zwischen den Menschen möglich.

4.) Das am besten entwickelte Sinnesorgan beim Menschen ist der Gesichtssinn, während Geruchssinn und Gehör relativ schwach entwickelt sind. Die Verarbeitung optischer Sinneseindrücke nimmt im Gehirn des Menschen dementsprechend einen großen Bereich ein.

Bei der Ausweitung seines Lebensraumes in die baumarme Steppe, die sich vor ca. 1 Millionen Jahren vollzog, konnte der aufrecht gehende Mensch mit seinen leistungsfähigen Augen mögliche Feinde oder Beutetiere bereits auf große Entfernung erkennen. Obwohl der Mensch in Bezug auf Schnelligkeit, Muskelkraft und Bisswaffen vielen Tierarten unterlegen ist, war er deshalb nicht nur im Urwald sondern auch in der Steppe überlebensfähig.

5.) Von seinen affenähnlichen Vorfahren, die auf Bäumen lebten und kletterten, erbte der Mensch eine im Vergleich zu den  kompakten Vorderpfoten der nicht auf Bäumen lebenden Vierbeiner sehr bewegliche 5-fingrige Hände mit einem Daumen, der den andern Fingern gegenüber steht und deshalb gut zum Greifen und Halten geeignet ist.

Als der Mensch aufrecht auf zwei Beinen gehend in der Steppe lebte und die Hände nicht mehr zum Klettern benötigte, konnte sich die Handgeschicklichkeit weiter entwickeln. Dies war die Voraussetzung für die Herstellung von Hilfsmitteln jeder Art, sei es Bekleidung als Schutz vor Kälte, Waffen zum Jagen von Tieren und zum Kampf gegen fremde Stämme oder Werkzeuge zum Bearbeiten von Holz.

Der Steuerung der Handbewegung dient dementsprechend ein relativ großer Bereich des Gehirns.

 

Das menschliche Nervensystem

An der Struktur des auf elektro-chemischer Basis arbeitenden menschlichen Nervensystems ist ablesbar, wie sich ausgehend von den einfachen Nervenknoten eines Wurmes immer kompliziertere Systeme aus Nervenzellen entwickelt haben, wobei die älteren Systeme nicht verschwanden, sondern integriert und überlagert wurden durch neuartige Steuerungssysteme. Neben einfachen, reflexartigen Reiz-Reaktions-Schaltungen verfügt der Mensch auch über unwillkürlich arbeitende Systeme wie das vegetative Nervensystem und die hormonale Steuerung. Er verfügt aber auch über zentralisierte willkürliche Systeme wie das motorische System bis hin zu den hochkomplexen Funktionszentren des Großhirns zur Verarbeitung von Sinnesreizen u. a., die jedes aus 100 Millionen Nervenzellen und mehr bestehen.

Die Nervenbahnen leiten die elektrischen und chemischen Impulse sehr schnell weiter, sodass der Mensch in Bruchteilen von Sekunden auf einen Reiz reagieren kann. Im Unterschied zu anderen Körperzellen verlieren die Nervenzellen beim Erwachsenen die Fähigkeit zur Teilung und Neubildung. Abgestorbene Nervenzellen können vom Körper also nicht ersetzt werden. Dies ist einer der Gründe für das Altern und den Tod der Individuen.
 
Das Verhalten des Menschen ist ein komplexer Prozess, in dem die verschiedenen ererbten Steuerungssysteme reflexartiger, triebhafter, emotionaler und gedanklicher Art zusammenwirken - und nicht immer harmonieren. So kann die angeborene Angst vor einem Sturz in die Tiefe (Schwindel) in mir stärker sein als die rationale Einsicht, dass mir nichts passieren kann, weil ich von einem elastisch federnden Netz aufgefangen werde.


Das menschliche Gehirn

Der Mensch besitzt im Vergleich zu anderen Lebewesen ein ungewöhnlich leistungsfähiges Großhirn, das ihm gegenüber den Tieren eine überlegene Intelligenz verleiht und den Menschen zum vorherrschenden Lebewesen auf der Erde werden ließ.

Das Gehirn ist das komplizierteste Organ des menschlichen Körpers. Es besteht aus der unvorstellbar großen Zahl von geschätzten 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen). Jede Nervenzelle ist über Fortsätze (Dendriten) außerdem im Durchschnitt mit ca. 1000 anderen Nervenzellen verknüpft. Diess ermöglicht eine äußerst komplexe Struktur des Gehirns.

Im Gehirn des Menschen sind seine psychischen Eigenschaften und geistigen Fähigkeiten gespeichert. Wenn die Nervenzellen des Gehirns nicht arbeiten, was anhand der fehlenden Gehirnströme feststellbar ist, ist trotz des Funktionierens von Herz und Kreislauf keine psychische Aktivität des Individuums möglich. Sind die Gehirnzellen eines Individuums zerstört ("Hirntod"), so ist damit auch dessen Persönlichkeit, seine Psyche zerstört.

Das menschliche Gehirn besitzt in Verbindung mit dem übrigen Nerven- und Hormonsystem die Fähigkeit zur willkürlichen Muskelbewegung, zur äußeren und inneren Wahrnehmung, zum Merken, Erinnern, Zerlegen, Kombinieren und Verknüpfen von Bewusstseinsinhalten.

Aufbauend auf diesen Fähigkeiten kann ein Mensch komplexe Tätigkeiten ausführen wie z. B. Sprechen, Schreiben, Rechnen oder Schachspielen.

Das Gehirn befähigt die Menschen zum Erlernen komplexer Zeichensystemen (Sprache), zur Erforschung von Regelmäßigkeiten der Wirklichkeit (Erfahrungswissenschaft), zur Erfindung von Hilfsgeräten für verschiedenste Zwecke (Technik), zur Bildung großer sozialer Verbände (Staaten) mit komplexen Organisationsformen und Institutionen (Recht, Moral) sowie zur Ausbildung kultureller Ausdrucksformen (Religion, Kunst, Musik, Dichtung und Literatur).

Durch die Erfindung von Geräten und Hilfsmitteln für die verschiedensten Zwecke haben die Menschen ihre Handlungsmöglichkeiten ständig erweitert und die eigene Umwelt verändert. Dies war jedoch mit unvorhergesehenen Nebenwirkungen verbunden (Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten, Verschmutzung und Vergiftung von Flüssen und Meeren, Veränderungen der Atmosphäre und des Klimas). Dieser Prozess hält weiterhin an.



Evolutionstheoretische Gründe für die begrenzte Lebensdauer der Individuen

Angesichts sich wandelnder Umweltbedingungen haben sich nur solche Arten als langfristig überlebensfähig erwiesen, die anpassungs- und entwicklungsfähig sind. Lebewesen mit festgelegten Eigenschaften sind dagegen auf eine stabile Umwelt angewiesen. Sie können keine andersgearteten Lebensräume besiedeln und gehen im Falle von starken Veränderungen der Umwelt zusammen mit den bestehenden Umweltverhältnissen unter.

Die Anpassung der Arten an veränderte Umweltbedingungen ist dadurch möglich, dass das Genom bei der Fortpflanzung nicht immer völlig identisch auf die Nachkommen übertragen wird. Es kommen immer wieder zufällige Änderungen (Mutationen) vor, sodass sich einige Exemplare der neuen Generation von der bisher existierenden Art unterscheiden.

Zufällige Mutationen verbessern in den allermeisten Fällen die Überlebenschancen nicht. Aber es ist möglich, dass sich unter den Mutationen hin und wieder auch eine befindet, die einen Überlebensvorteil mit sich bringt.

Dazu ein Beispiel. Durch eine Mutation ist die Färbung eines Schmetterlings verändert worden. Die veränderte Färbung verbessert die Tarnung, so dass eine geringere Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser Schmetterling von Vögeln gefressen wird. Dieser Schmetterling kann seine Gene also erfolgreicher weitergeben als ein Schmetterling mit der bisherigen Färbung. So kommt es, dass mit der Zeit ein immer größerer Anteil der Schmetterlinge die neue Färbung besitzt.

Je mehr Fortpflanzungen stattfinden, umso mehr Mutationen können dabei auftreten und umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass darunter auch eine Mutation ist, die für das Überleben förderlich ist.

Unter diesem Gesichtspunkt sind Arten, die sich alle 30 Jahre fortpflanzen, anpassungsfähiger im Falle von Veränderungen der Umwelt als Lebewesen, die uralt werden und sich nur alle 3000 Jahre fortpflanzen,

Die eigene Sterblichkeit ist gewissermaßen der "Preis", den die Individuen für die größere Überlebensfähigkeit der eigenen Art zahlen.


Der Grund für die Zweigeschlechtlichkeit

Wenn die Fortpflanzung einer Art durch eine einfache Teilung und Verdoppelung der Chromosomen erfolgt, ergibt sich eine Veränderung der Erbinformationen nur durch Mutationen. Dies ist bei zweigeschlechtlich vorkommenden Arten anders. Die Sexualität ermöglicht eine stärkere Variation der Erbinformationen bei den Nachkommen, denn die mütterlichen und väterlichen Gene werden bei der Zeugung eines Nachkommen jeweils anders kombiniert. Dadurch ist jedes Individuum in Bezug auf seine Erbinformationen einmalig, wenn man einmal vom seltenen Fall eineiiger Zwillinge absieht.

Die größere Variation der genetischen Strukturen bei der geschlechtlichen Fortpflanzung erweist sich als erfolgreicher für das Überleben von Arten als z. B. die starre Verdoppelung ein und desselben genetischen Codes bei der Knospung. Allerdings müssen bei der sexuellen Fortpflanzung die Keimzellen eines männlichen und eines weiblichen Individuums zusammengebracht werden.

Durch die Zweigeschlechtlichkeit ergab sich auch die Möglichkeit zur "Spezialisierung" innerhalb einer Art - in weibliche und männliche Individuen. Bei den Menschen konnte sich ein genetischer Unterschied zwischen Mann und Frau herausbilden. Frauen besitzen ein XX-Chromosom, Männer stattdessen ein XY-Chromosom. Gene, die zwar auf dem XX-Chromosom vorkommen, jedoch nicht auf dem XY-Chromosom, führen dann zu "typisch weiblichen" Eigenschaften. Umgekehrt führen Gene, die zwar auf dem XY-Chromosom vorkommen aber nicht auf dem XX-Chromosom, zu "typisch männlichen" Eigenschaften.

Bei den Säugetieren tragen z. B. nur die Weibchen die Nachkommen aus und ernähren die Neugeborenen durch Milch produzierende Drüsen. Häufig sind die Männchen etwas größer und körperlich stärker als die Weibchen. Deshalb kann man bei den meisten Arten schnell erkennen, ob es sich um ein Weibchen oder ein Männchen handelt. Offensichtlich unterscheidet sich nicht nur das äußere Erscheinungsbild sondern auch die nervlich-hormonelle Steuerung beider Geschlechter. Dies betrifft auch das sexuelle Erleben und Verhalten.

Für die Unterschiede zwischen der männlichen und der weiblichen Sexualität bei Säugetieren ist von Bedeutung, dass ein "promiskes" Verhalten - also der Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern - im Falle des Männchens zur Vergrößerung seiner Nachkommenschaft führt, während das beim Weibchen nicht der Fall ist. Ein Männchen kann heute ein Junges mit dem einen Weibchen zeugen und morgen mit einem anderen Weibchen das nächste. Ein Weibchen, dessen Eizelle befruchtet wurde, kann dagegen frühestens dann eine zweite Eizelle befruchten lassen, nachdem das erste Kind geboren wurde. Dies gilt auch für den Menschen.

(Beim Folgenden handelt es sich um theoretische Hypothesen, für die kein Anspruch auf gesicherte Erkenntnis erhoben wird.)

Außerdem gab es beim Menschen offenbar soziale Mechanismen zur Vermeidung der so genannten "Inzucht", die zu genetisch bedingten Schädigungen der Nachkommenschaft führt. Hierzu gehört neben dem Inzest-Verbot, das sich bei allen menschlichen Gesellschaften findet, der Raub von Frauen anderer Stämme sowie die Vergewaltigung und Entführung von Frauen besiegter Feinde. Beides scheint über lange Perioden der Menschheitsentwicklung gängige Praxis gewesen zu sein.

Mit Einführung des Ackerbaus und dem Entstehen von Kultur und Zivilisation gab es immer wieder Fortschritte in Bezug auf Bewaffnung und Kampforganisation. Dadurch hing die erfolgreiche Fortpflanzung und Vermehrung der Männer zunehmend weniger von ihrem individuellen sexuellen Verhalten ab. Stattdessen war entscheidend, ob der eigene Stamm in der Auseinandersetzung mit anderen Stämmen siegreich war. Wichtig hierfür waren stabile soziale Beziehungen in Form der Ehe, der Familie, des Eigentums und der Rechtsordnung, die ein organisiertes Zusammenwirken zahlreicher Individuen sowie die Weiterentwicklung und Weitergabe von Fertigkeiten und Kenntnissen möglich machten.

Unter diesen Bedingungen gefährdeten die archaischen "typisch männlichen" Verhaltensweisen im Bereich der Sexualität (Promiskuität, Rivalenkämpfe, Frauenraub) zunehmend die Stabilität jener Institutionen, in denen die Lebensmittel und die Werkzeuge produziert wurden und in denen die Aufzucht, Erziehung sowie Unterrichtung der Nachkommen stattfand.

Dies bedeutet, dass Männer mit ihrer genetisch erworbenen Sexualität sehr viel schlechter in eine stabile, geordnete Gesellschaft passen als Frauen und dass sie mehr Probleme mit den Institutionen "Ehe" und "Familie" haben. Dies stimmt überein mit der Tatsache, dass Prostitution und Pornographie vor allem für Männer von Interesse sind.
 


Begrenzte Formbarkeit entgegen der genetisch verankerten Natur

Durch ihre Erbinformationen werden die Menschen nicht nur in Bezug auf Haarfarbe, Geschlecht und Körperbau bestimmt, sondern auch in Bezug auf die individuellen Unterschiede in Bezug auf das Nervensystem, die hormonale Steuerung und des Aufbaus des Gehirns. Wenn dies richtig ist, dann werden auch Temperament, Musikalität, Gedächtnisleistung oder Denkfähigkeit genetisch beeinflusst.


Die besondere Lernfähigkeit des Menschen

Der Mensch mit seinem ausgeprägten Großhirn ist besser als die andere Säugetiere zum Lernen fähig. Er kann aufgrund der Erfahrungen, die er mit der Umwelt macht, zu Verhaltensweisen und Gewohnheiten gelangen, die nicht genetisch verankert sind, sondern im Laufe des Lebens in seinem Gehirn gespeichert werden. Und diese Kenntnisse, Verhaltensregeln und Strategien kann das Individuum mit Hilfe der Sprache an andere Individuen und insbesondere an seine Nachkommen weitergeben, ohne dass diese Verhaltensmuster im genetischen Code verankert sein müssen.

Mit der Entwicklung der Schrift wurde diese "kulturelle Vererbung" von einer Generation auf die nächste sogar unabhängig von den Beschränkungen des menschlichen Gedächtnisses und von der persönlichen Unterweisung. Menschen konnten nun ihr Wissen aufschreiben und andere konnten es auch noch nach vielen Jahren lesen und darauf aufbauen. Dadurch war die Menschengattung immer weniger auf genetisch fixierte "instinktive" Verhaltensmuster angewiesen.

Durch diese besondere Fähigkeit zur Erkenntnis der Wirklichkeit und durch die Umsetzung dieses Wissens in Werkzeuge, Techniken und Verhaltensregeln erwies sich der Mensch den andern Lebewesen als überlegen. Die Anzahl der Menschen auf dem Planeten Erde steigerte sich bis heute auf mehr als 6 Milliarden oder 6000 Millionen gegenüber geschätzten 20 Millionen noch vor 5000 Jahren. Sie ist damit auf das 300fache gestiegen. Demgegenüber sind z. B. die Gorillas vom Aussterben bedroht.

Dieser Erfolg der Gattung Mensch droht jedoch umzuschlagen, weil die explosionsartige Vermehrung zusammen mit einem ungebremsten Gebrauch der neuen technischen Möglichkeiten zunehmend die Umweltbedingungen zerstört, die die Menschen auf ihrem Raumschiff "Erde" zum Leben brauchen. Ein Beispiel hierfür ist der Abbau der Ozonschicht, die die Menschen vor der krebserregenden ultravioletten Strahlung aus dem Weltall schützt, und die durch Abgase zersetzt wird.


Problematische Erbeigenschaften des Menschen (Atavismen)

Aus der Entwicklungsgeschichte der Menschheit und der damit einhergehenden Entwicklung des genetischen Codes lässt sich folgern, dass alle genetisch verankerten Eigenschaften des heutigen Menschen irgendwann in der Vergangenheit einmal einen Überlebensvorteil bedeutet haben müssen und sich deshalb durchgesetzt haben.

Allerdings muss das, was unter früheren Lebensbedingungen einmal vorteilhaft war, nicht notwendig auch heute noch Überlebensvorteile mit sich bringen.

Dazu ein Beispiel: Die Vorfahren der heutigen Menschen lebten bis vor einigen 10.000 Jahren wahrscheinlich in überschaubaren Gruppen (Stämmen von ca. 500 Individuen). Diese Stämme lebten weitgehend unabhängig voneinander. Sie entwickelten so stammeseigene Traditionen (Bräuche, Sitten, Riten, Tänze, Gesänge, Verhaltensregeln etc.) einschließlich einer spezifischen Art von Sprache.

Sie konkurrierten allerdings mit anderen Stämmen um Jagdgebiete und andere Nahrungsquellen. Daraus ergaben sich immer wieder Konflikte und Kämpfe. Die Bereitschaft und die Ausbildung zum Kampf und letztlich zum Töten von Mitgliedern konkurrierender Stämme war unter solchen Bedingungen überlebenswichtig für die Stämme.

Eine solche Aggressionsbereitschaft und Bewaffnung gegen fremde Gruppen wird jedoch für das eigene Überleben problematisch, wenn die Menschheit wie heutzutage in weltweiten politischen Bündnissen organisiert ist und wenn Waffen verfügbar sind, die alles Leben auf der Erde auslöschen können.

Allgemein gesprochen heißt das: Durch die technische Entwicklung ändern sich die Lebensbedingungen der Menschen zum Teil rapide, während sich gleichzeitig die menschliche Natur nur sehr langsam verändert. Dies führt dazu, dass der heutige Mensch problematische "Atavismen" aus grauer Vorzeit in sich trägt.

Für den Umgang mit solchen "unangepassten" Eigenschaften der menschlichen Natur bietet sich zum einen das relativ ungefährliche spielerische Ausleben etwa im Fußballstadion oder vor dem Fernseher oder auch im Konzertsaal und in der Kunstausstellung an. Andererseits muss die moderne Technik den menschlichen Bedürfnissen angepasst werden und z. B. im Wohnungsbau und im Straßenbau so eingesetzt werden, dass vor allem den Kindern ein Zusammenleben in überschaubaren Gruppen möglich ist und der Kontakt zur Natur erhalten bleibt.


Die Auswirkungen von Wissenschaft und Technik

In der genetischen Evolution werden die "Erfahrungen" der Organismen mit ihrer Umwelt in Form erfolgreicher neuer Gene aufbewahrt, in denen nützliche Eigenschaften und Verhaltensprogramme verankert sind. Mit der Entwicklung von anderen Informationsspeichern - zuerst in Form von Gehirnzellen (Gedächtnis), dann auch davon unabhängig in Büchern oder anderen Speichermedien - löste sich die Entwicklung weitgehend von der genetischen Ebene ab und gewann eine eigene Dynamik.

Wissenschaft und Technik
führten innerhalb vergleichsweise kurzer Zeiträume - bezogen auf die Jahrmillionen der Evolution organischen Lebens - zu tiefgreifenden  Veränderungen der Verhältnisse auf der Erde. Technische Produkte wie Motoren, Generatoren oder Transistoren sind für das Leben und Überleben der inzwischen mehr als
7 Milliarden Menschen auf der Erde unentbehrlich geworden. Die moderne Genetik schafft sogar die Möglichkeit, das Genom eines Lebewesens gezielt zu verändern und damit die genetische Entwicklung der vorhandenen Arten zu beeinflussen.

Gleichzeitig wurde auch die Waffentechnik weiter entwickelt. Ferngelenkte Raketen, die atomare Sprengköpfe rund um den Globus tragen können, bieten die Möglichkeit, ganze Städte und Länder zu zerstören und unbewohnbar zu machen.

Wissenschaft und Technik haben dazu geführt, dass die Weltbevölkerung rapide zunahm. (Sie hat sich im 20. Jahrhundert nahezu vervierfacht
). Die ungebremste Ausbeutung der Natur und die Nicht-Berücksichtigung von schädlichen Nebenfolgen der Technik drohen die menschlichen Lebensbedingungen langfristig zu zerstören (radioaktive Verseuchung, Rodungen mit Bodenerosion, giftige Abfälle, Zerstörung von Schutzschichten in der Atmosphäre, u. a. m.). 

Die Entwicklung der technischen Zivilisation hat dazu geführt, dass die Menschen, die über hunderttausende von Jahren in relativ kleinen und voneinander weitgehend unabhängigen Gemeinschaften - Stämmen oder Großfamilien - gelebt haben, nun rund um den Globus miteinander Handel treiben, telefonieren oder reisen.

Damit steigt die wechselseitige Abhängigkeit der Staaten, aber auch die Möglichkeit von Konflikten wird größer. Da eine internationale Rechtsordnung erst ansatzweise entwickelt wurde, kann es jederzeit dazu kommen, dass sich irgendein militärischer Konflikt einmal ausweitet und in einen Dritten Weltkrieg mündet.

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Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
    Das Leben

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Letzte Bearbeitung: 21.03.2013 / Eberhard Wesche

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